Die sinnliche Affizierung der Kinozuschauer, von der Kracauer in seiner Theorie des Films spricht, wurde in der Filmwissenschaft lange Zeit zugunsten der Narration ausgeblendet. Anke Zechner stellt in ihrem Buch die Frage nach einer grundlegenden Wahrnehmung im Kino: nach einer Seherfahrung, die narrativen Strukturen vorausgeht. Ist eine solche Wahrnehmung jenseits der Narration überhaupt möglich und wofür steht sie? Zechner entwickelt eine Theorie der Filmwahrnehmung jenseits der Konzepte von Identifikation und Repräsentation, indem sie Aspekte des Nichtsprachlichen, des Körperlichen und Materiellen, ins Zentrum stellt. Sie nähert sich dieser Filmwahrnehmung über Theoretiker, welche sich auf Formen der Wahrnehmung konzentrieren, die das Visuelle übersteigen. Maurice Merleau-Ponty, Gilles Deleuze und Siegfried Kracauer beschreiben Filmwahrnehmung als eine Form der 'Aufhebung' der Subjekt-Objekt-Trennung. Dadurch wird die spezifische Wahrnehmung von Dingen und Oberflächen sowie eine bestimmte Form der Zeitlichkeit im Kino nicht nur zu einer Form der Erkenntniskritik, sondern auch zur Erfahrung eines spezifischen Zugangs zur Welt. Anhand der Filme von Michelangelo Antonioni, Claire Denis, Tsai Ming-Liang und Angelika Levi zeigt sie auf, inwiefern im Kino eine besondere Form der Wahrnehmung und damit auch der Erfahrung von Geschichte möglich ist.